Fortsetzung von Teil 1/1

Auf der weiteren Strecke nach Süden durften wir wieder fantastische Berglandschaften erleben, terrassierte Felder und aufgeforstete Eukalyptuswälder. Äffchen kletterten in den Bäumen, segnende Männer standen am Wegesrand und warteten darauf gegen die Gabe einiger Birr in ihrem umgedrehten Sonnenschirm dem Fahrer den Segen spenden zu können. Auf den gefährlichen Straßen mit vielen tödlichen Unfällen vermutlich ein recht einträgliches Geschäft. Immer wieder kamen wir an umgestürzten Trucks vorbei, die die Straße halbseitig versperrten und einfach liegen blieben, notdürftig gesichert durch einige große Steine, die davor gerollt wurden. Auf der gesamten Strecke befanden wir uns auf über 3000 Meter über dem Meeresspiegel, was die Nächte eisig kalt werden ließ. Die Menschen waren nicht mehr so offensiv am Betteln wie im Norden, sie wirkten freundlich, aber in gewisser Weise auch archaisch in ihren braunen Umhängen, oft barfuß auf dem kalten Boden. Annette schenkte einem Mädchen ihre Espadrilles, was jedoch deren Bruder auf den Plan brachte, als sie ein Foto von dem strahlenden Mädchen machte. Immer wieder nahmen wir uns die Zeit, einen Kaffee am Wegesrand zu trinken, was im Kaffeeland Äthiopien meist mit einer traditionellen Kaffeezeremonie einher geht, bei der das Gebräu mit Weihrauchduft über einem kleinen Kohlestövchen frisch aufgebrüht wird. Einmal gesellte sich ein schräger Vogel dazu, in keinster Weise ärmlich oder gar hungrig wirkend. Wir hatten eine frische Kekspackung mit genommen, boten höflich den Anwesenden einen Keks an. Der Typ war sich nicht zu schade, sämtliche Kekse alleine aufzufuttern – andere Länder, andere Sitten. Seinen anwesenden Landsleuten schien sein Verhalten allerdings äußerst peinlich zu sein.

Die Nacht verbrachten wir auf eisigen 3200 Metern auf einem schönen Hochplateau. Zahlreiche Menschen besuchten uns wieder am Morgen, waren besorgt um Michael, dem es wieder schlechter ging und halfen schließlich beim Abbau des Dachzelts – z.T. mit der Kalaschnikow über der Schulter. Und bettelten nicht, sondern winkten nur freundlich zum Abschied! Unser nächstes Ziel war das nächste Highlight, nämlich der Ort der Mythen und des Glaubens Lalibela. Über eine staubige Piste, die gerade – von wem auch sonst – von den Chinesen ausgebaut wird, gelangten wir zu diesem besonderen Ort, bekannt für seine beeindruckenden Felsenkirchen. Der Legende nach wurden sie im 12. Jahrhundert von König Lalibela mit Hilfe von Engeln in das Tuffgestein getrieben. Hier schlagen die Preise wieder richtig zu, 50,-$ kostet der Eintritt pro Person. Auf einen Führer konnten wir glücklicherweise verzichten und begaben uns allein auf Spurensuche. Am beeindruckendsten ist natürlich die bekannte Kirche St. Georg mit der markanten Form des orthodoxen Kreuzes. Doch auch andere Kirchen waren faszinierend, schön bemalt die Bete Maryam, die Marienkirche. Die anderen Kirchen der westlichen Gruppe sind eher von außen interessant. Zur Mittagszeit erreichten wir die östliche Gruppe, die zunächst wohl Palastbauten gewesen und erst später zu Kirchen umgewidmet worden waren. Dunkle Tunnel führten durch den Berg, steile Stufen waren in den Fels geschlagen. Ein Gang führte uns nur beleuchtet durch das Licht unserer Handys weit in den Berg hinein. Plötzlich endete er in einer kleinen Höhle, über uns ein Lichtschein, der durch Holzplanken drang. Auf Michaels eher scherzhaft gemeinten "Open, open"-Ruf wurden tatsächlich die Bretter weggezogen und wir konnten ins heiße Sonnenlicht klettern. Ein Wächter hatte uns den Weg geöffnet und wir durften– da Mittagspause war – ganz alleine das Gebiet erkunden.

Da es Michael leider noch nicht wirklich besser ging, hatten wir entschieden, im LAL-Hotel ein Zimmer zu nehmen. Wir waren in wunderschönen, den typischen Rundhütten nachempfundenen, Zimmern untergebracht. In Lalibela wurde gerade das St. Georgs-Fest gefeiert, das hier anstelle des Timkat groß begangen wird. Direkt vor unserem Hotel zog die Prozession vorbei, die Dachterrasse bot einen tollen Blick auf das Heer der Gläubigen. Die Priester zogen mit ihren bunten Sonnenschirmen über einen roten Teppich die Straße entlang, der immer direkt hinter ihnen wieder aufgewickelt wurde, um ihn unmittelbar vor ihnen wieder auszulegen. Junge Männer führten mit ihren typischen Hirtenstäben einen Stocktanz auf – wieder ein großartiges Spektakel! Die nächtliche Erholung fiel allerdings nicht ganz so aus wie erwünscht, da praktisch die ganze Nacht der schräge Singsang der Mönche durch die krächzenden Lautsprecher schallte...

Den Leuten schien es jedoch zu gefallen, Äthiopien ist ein unglaublich gläubiges Land, das in manchen Regionen sagenhafte 171 arbeitsfreie Sonn- und Feiertage zusammenbringt. Dazu ist eigentlich nicht mehr viel zu sagen...

Weiter ging es in Richtung Westen wieder auf den Tanasee zu, an dessen nördlichem Teil wir in Kims Village die erste Nacht in Äthiopien verbracht hatten. Wie immer waren wir spät dran auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz, wie immer fanden wir dennoch einen akzeptablen. In diesem Fall in einer Art Lehmgrube. Ein später Hirte winkte uns ein Willkommen zu und wir beendeten den gemütlichen Abend am Lagerfeuer. Nach dem Aufwachen ist meist die erste Tat der Blick an unseren Vorhängen vorbei durch die verdunkelte Scheibe, um die Lage zu erkunden. Häufig stehen Kinder oder Erwachsene in sicherem Abstand vor dem Auto, wartend was da nun passiert. An diesem Morgen war es ähnlich. Eine Gruppe junger Männer stand gehüllt in warme Decken einige Meter vor dem Auto. Mehr aus einem Impuls heraus denn als geplante Aktion, machte ich mit meinem Handy ein Foto. Wir blieben noch ein wenig liegen, bei den Kindern im Zelt über uns rührte sich auch noch nichts. Ab und an wieder ein Blick aus dem Fenster. Einer der Jungs hatte sich dem Auto genähert, ging wieder. Als kurz darauf ein zweiter ganz nah ans Auto kam und meinem Sichtfeld entschwunden war, beschloss Michael aufzustehen. Mit einem Ratsch wurde die Zentralverriegelung entriegelt, Michael öffnete die Hecktür. Die Jungs, die um das Auto verteilt standen, stoben davon, was Michael erst noch recht witzig fand. Bis er gleich darauf feststellen musste, dass seine Schuhe fehlten! Und meine auch! Und einer von Annette! Wir waren sorglos gewesen, leichtsinnig geworden durch die letzten Tage und Wochen ohne Probleme, hatten die Schuhe einmal nicht ins Auto geräumt sondern im Vorraum des Dachzeltes liegen gelassen. Tatsächlich war auch unsere – ausnahmsweise – draußen hängen gebliebene Klotasche weg. Allerdings erschütterte uns der Verlust von Klopapier und Flüssigseife weniger als der unserer Schuhe. Florian rauschte die Leiter runter und machte sich direkt an die Verfolgung. Am Gipfel des Hügels standen die drei, die sich zuletzt dem Auto genähert hatten und rannten davon als sie ihn sahen. Dabei ließen sie zumindest Annettes einzelnen Schuh fallen, mit dem sie ja sowieso nicht all zuviel anfangen konnten. Wir beratschlagten was zu tun sei und die beiden Männer stiegen noch einmal den Hügel hinauf. In der Nähe befanden sich einige Hütten und in der ersten saß seelenruhig einer der drei, jeden Vorwurf abstreitend. Wir beschlossen daraufhin, erst einmal in Ruhe zu frühstücken und abzubauen, um dann frisch gestärkt auf Diebesjagd zu gehen. Durch eine wunderschöne Almlandschaft stiegen wir an einem Bächlein und zahlreichen Schafen vorbei den Berg hinauf, bis wir die Hütte mit dem vermeintlichen Dieb erreicht hatten. Sie war verschlossen! Doch deutlich konnten wir hören, dass sich innen etwas regte. Inzwischen war es schon wieder richtig heiß geworden, alle anderen Hütten geöffnet, um Luft einzulassen. Annette und ich klopften an Tür und Fenster, forderten lautstark, die Tür zu öffnen, ansonsten würden wir die Polizei holen. Von innen war lediglich das ängstliche Brummeln einer alten Frau zu hören, die offensichtlich ununterbrochen Gebete vor sich hinmurmelte. Die Nachbarn liefen zusammen, nun kam das zufällig geschossenen unscharfe Handyfoto zum Einsatz. Sieben Jungs konnte man darauf, zum Teil ganz ordentlich, erkennen. Wir machten den Nachbarn begreiflich, dass unsere Schuhe gestohlen worden waren, weigerten uns zu gehen und ließen uns vor der Hütte nieder. Eine Nachbarin versuchte die arme Alte zu beruhigen, die aber immer noch nicht das Häuschen öffnete, und dafür ein Stoßgebet nach dem anderen gen Himmel schickte. Wir vermuteten, dass ihr der diebische Enkel befohlen hatte, niemanden einzulassen. Schließlich kam Bewegung in die Sache und ein großgewachsener Mann, in Grün gekleidet, kam hinzu, um sich der Sache anzunehmen. Obwohl er kein Englisch sprach, verstand er sofort, worum es ging und schien auch die Täter auf dem "Fahndungsfoto" zu erkennen. Geld zur Wiederbeschaffung lehnte er ab, stattdessen telefonierte er, hieß uns warten und gab mithilfe seines Stockes zu verstehen, was die Diebe zu erwarten hätten. Einige Zeit später kam in schnellen Schritten ein weiterer Mann den Berg hinauf. Ebenfalls groß gewachsen und gut gekleidet strahlte er eine natürliche Autorität aus. Ein kräftiger Handschlag, ein Blick auf das Foto und es bestand kein Zweifel – er würde die Sache regeln! Dies war der Dorfvorsteher, der über die weit verteilten Hütten des Hanges gebot. Er hieß uns mitkommen und in beachtlichem Tempo ging es weiter den Berg hinauf. Endlich erreichten wir eine weitere Hütte und der Dorfälteste verschwand darin. Nicht lange darauf trieb er einen Mann vor sich her, der mit keifender Stimme seine Unschuld beteuerte. Der Chef ließ sich nicht beirren, drohend schwang er den Stock über ihm, jagte ihn vor sich her. Hinterdrein kam die greinende Mutter, schreiend und flehend. Weiter ging es den Hang hinauf. Wir verstanden, dass alle auf dem Foto identifizierten Diebe zusammen getrieben werden sollten. Ein weiterer stellvertretender Dorfscheriff hatte sich dazu gesellt, holte den nächsten Delinquenten. Immer wieder das gleiche Bild – ein junger Mann wurde aus dem Haus getrieben, eine Frau lief entweder weinend oder zeternd hinterher, versuchte ihren Sohn den Klauen des Gesetzes zu entreißen. Wir kamen uns vor wie im falschen Film, als wären wir auf einer Zeitreise im Mittelalter gelandet. Immer mehr Menschen kamen zusammen, Kinder, Alte, das ganze Dorf lief mit um zu sehen, was nun geschähe. Als die Täter der Reihe nach eingesammelt waren, kamen wir an einem schönen zweistöckigen Gebäude vorbei, in dem der Dorfvorsteher kurz verschwand. Als er zurückkam hatte er seinen Stock gegen eine Kalaschnikow getauscht und für einen Moment rutschte uns wirklich das Herz in die Hose. Wir hatten ja keine Ahnung, was in dieser archaischen Gesellschaft mit Dieben gemacht wird! Weiter wurden die Beschuldigten wie Schafe voran getrieben, danach die Dorfgemeinschaft und am Schluss etwas atemlos wir, bis wir wieder die Straße erreichten. Einen Fluchtversuch unternahm keiner, der wäre aber auch sinnlos gewesen, wo hätte der Flüchtige auch hin sollen? Das ganze Dorf war ja inzwischen auf den Beinen. Noch immer gaben sich manche unschuldig, glaubten Mütter an ein Versehen. Aber nach einem Blick auf das Foto gaben sie auf. Der Dorfvorsteher hieß uns warten und verschwand. Kinder näherten sich vorsichtig, zum Teil schmutzstarrend. Ein Traubenzuckerbonbon war den meisten suspekt, sie schleckten nur vorsichtig daran. Ein Mädchen hatte irgendwie den Ärger seiner Mutter und eines Dorfvorstehergehilfen auf sich gezogen und bezog erst Schläge und dann sogar Prügel mit dem Stock. Weinend rannte sie davon. Inzwischen waren schon mehrere Stunden vergangen. Endlich ein Anruf und die Weisung, die Straße entlang zu laufen. Ein Gehilfe gab zu verstehen, dass sie erfolgreich gewesen seien – der Tross setzte sich in Bewegung. Michael und ich fuhren mit dem Landi voraus, der Rest folgte. Wieder warten. Und dann sahen wir vier Menschen, darunter den Dorfvorsteher und einen zweiten Mann mit einer Kalaschnikow, den Hügel hinab laufen, ein Bündel schwenkend. Wir konnten es nicht glauben – unsere Schuhe! Sie hatten sie tatsächlich gefunden. Dem Dorf wurde mithilfe der Schuhe noch eine eindringliche Ansprache gehalten, und wir herzlichst verabschiedet. Was für ein Erlebnis! Tatsächlich möchten wir nicht in der Haut der Diebe stecken, die sicherlich auch durch unseren Leichtsinn verleitet wurden und möglicherweise in der Dorfgemeinschaft nun erst einmal geächtet sind. Einige Stockschläge hatten sie sicherlich zu befürchten, aber wir hoffen, dass ihnen nichts Schlimmeres widerfahren ist.

Noch immer aufgewühlt durch die Erlebnisse steuerten wir unser letztes Ziel an, die Quelle des Blauen Nil südlich des Tanasees. Vorbei kamen wir an großen Gewächshäusern in denen die Blumen gezüchtet werden, die ihren Weg in die Blumenläden Europas finden. Eine Piste führt von der Hauptstrecke ab nach Gish Abbay. Jahrhundertelang hatten Abenteurer nach der Quelle gesucht, der erste offizielle Entdecker war der schottische Abenteurer James Bruce, der sie 1770 nach langer Suche endlich fand. Den Äthiopiern ist der Fluss heilig, setzen sie ihn doch gleich mit dem biblischen Fluss Ghion, der direkt aus dem Paradies fließen soll. Zahlreiche Pilger befanden sich auf dem Weg, als wir das kleine Örtchen erreichten. Laut Reiseführer ließ sich die Quelle jedoch auch von Touristen besuchen. Wir ließen unser Auto am Hauptplatz stehen und machten uns auf den Weg nach unten zur Quelle. Der Hang war gesäumt von Gläubigen, die betend auf Steinen oder Baumstämmen saßen. Ein junger Mann erbrach einen riesigen Schwall Wassers als wir vorbei liefen. Es sollte nicht der einzige bleiben. In besagtem Buch von Philipp Hedemann konnten wir viele interessante und zum Teil auch amüsante Kapitel über heilige Quellen in Äthiopien lesen. Dennoch ahnten wir nicht, was uns hier bevorstand! Als wir uns einem Gatter näherten, stellte sich uns ein junger Mann in den Weg, um uns abzuweisen. Er übersetzte für einen Priester ganz in rosa, der mit einem großen Kreuz bewaffnet daneben stand. Ehrlicherweise schwindelten wir ein wenig, indem wir die Frage, ob wir schon gefrühstückt hätten, verneinten. Daraufhin fragte er, ob wir orthodox seien, worauf wir ausweichend antworteten, dass wir Christen seien. Nun störte er sich daran, dass die Männer keine Kreuze trügen. Wir diskutierten sicherlich eine halbe Stunde lang, inzwischen umringt von Hunderten von Menschen, die der Diskussion interessiert folgten. Endlich hatten wir es geschafft – wir wurden eingelassen, jedoch nicht ohne 100 Birr/pP zu entrichten und das große Kreuz zu küssen. In der Nähe der Quelle angekommen, wurden Frauen und Männer getrennt. Annette und ich wandten uns nach rechts, geführt von einer jungen Frau, die gut englisch sprach. Als wir den abgeschirmten Bereich betraten, glaubten wir unseren Augen nicht zu trauen! Aus drei Rohren lief aus der Wand das "heilige" Wasser. Darunter saßen in schlammigen Pfützen splitternackte Frauen, zum Teil bibbernd, zum Teil irrsinnig schreiend. Unsere Begleiterin sah uns auffordernd an: "Give me your clothes!" In diesem Moment dachte ich nur: "Was haben wir uns da eingebrockt?" Wie sollten wir aus dieser Nummer wieder heraus kommen? Langsam legten wir unsere Jäckchen und Sonnenbrillen ab. Da hatte Annette den rettenden Einfall! Denn der Priester stand in der Tür und betrachtete uns lüstern. Annette argumentierte, dass wir uns in unseren Kultur nicht vor fremden Männern ausziehen. Der Priester wurde nun zwar weg geschickt, aber Gott sei Dank befand sich noch ein weiterer Mann an der Quelle, der nicht ging. Unsere Begleitung meinte zwar, es sei nicht gut für uns, wenn wir nicht ganz unter den Wasserstrahl gingen, aber ich vertrat fest die Auffassung, dass das sehr gut für uns sei! Todesmutig tauchte ich also den Kopf unter den eiskalten Strahl, verharrte eine Weile andächtig und richtete mich danach wieder auf. Nun war Annette an der Reihe. Als sie gerade wieder auftauchen wollte, drückte ihr eine Frau den Kopf richtig unter Wasser. Bevor sie sie mitsamt ihrer Kleider komplett unter den Strahl schieben konnte, gelang es mir, ihre Hand zu greifen, und sie wieder ins Trockene zu ziehen. Schließlich verharrten wir noch eine Weile andächtig auf dem Boden kauernd, das Kreuz schlagend, in der Hoffnung, damit den Anforderungen Genüge getan zu haben. Den Männern war es ähnlich gegangen, ein Gläubiger hatte sich mit den Füßen zusammen gekettet, um sich zu züchtigen. Auch sie retteten sich mit dem Hinweis, dass es bei uns nicht üblich sei, sich öffentlich auszuziehen. Das war sicherlich auch besser so, sind orthodoxe Männer in Äthiopien doch beschnitten...

Nach diesen beiden Abenteuern machten wir uns auf die letzte Strecke in Richtung Addis. Überall waren die Felder abgeerntet, die Heuballen zu großen Kugeln aufgetürmt. Wohlhabend wirkten die Landschaften, Häuschen und Menschen. In manchen Dörfern fiel uns das offensichtlich problemlose Miteinander der Religionen auf, wenn Kirche und Moschee sich direkt gegenüberstanden. Über 1000 Meter fiel die Straße ab zum Niltal, das eine tiefe Schlucht zerteilt. Auf der anderen Seite schraubten wir uns wieder in die Höhe. Wieder säumten zahlreiche Fahrzeugwracks den Weg, wieder lief allerlei Getier auf der Straße herum. Wir waren uns einig, dass die Äthiopier sicherlich die schlechteste Hirten der Welt sind. Kein Vergleich mit den Hirten im Sudan, die ihre Tiere absolut unter Kontrolle haben. Hier interessiert es keinen wirklich, was sein Tier macht. Wir wissen nicht, wie es in anderen Landesteilen ist, haben aber gehört, dass ein Afar für jedes überfahrene Tier zwölf Tiere als Wiedergutmachung verlangt. Da wundert man sich nicht, dass auf die Tiere nicht wirklich geachtet wird oder vielleicht sogar mal absichtlich eines auf die Straße vor ein Auto getrieben wird.

Addis empfing uns auf seinem Hausberg Entoto mit einem riesigen hausgemachten Stau – den ersten seit langer Zeit. In Addis fiel das Ungleichgewicht zwischen arm und reich besonders auf. Zahlreiche gut gekleidete Menschen bevölkerten die Straße, strebten ihren Geschäften nach, leben offensichtlich auf der Sonnenseite der äthiopischen Gesellschaft. Auf der anderen Seite sah man viel Armut, Menschen, die auf der Straße leben, zahlreiche Kinder darunter. Die Gegensätze sind extrem – direkt gegenüber des idyllischen und gut gesicherten Präsidentenpalastes liegt ein Slum, mitten in der Stadt. Die Landflucht ist unübersehbar. Bei einer Durchschnittskinderzahl von 6,7 reichen oftmals Vieh und Äcker nicht aus, um alle hungrigen Mäuler zu stopfen. Oft bleibt den "überzähligen" Jungs nur die Flucht in die Stadt mit der Hoffnung dort Arbeit zu finden und zu einem geringen Wohlstand zu gelangen. Doch meist bleibt es bei der Hoffnung.

Im Taitu-Hotel fanden wir im Hinterhof einen sicheren Stellplatz und genossen den letzten Abend mit Flori und Annette. Vier Wochen lang durften wir nun zwei unserer drei Kinder mit ihren lieben Ehepartnern genießen, jetzt müssen wir wieder allein mit uns klar kommen. Wir sind aber sicher, dass uns das gut gelingen wird, auch wenn wir unsere Lieben Zuhause vermissen. In Addis werden wir ein paar Tage verbringen müssen, um verschiedene Visaangelegenheiten zu tätigen.

Da wir noch den Osten und Süden von Äthiopien bereisen möchten, ist es vielleicht noch zu früh für ein abschließendes Fazit. Aber soviel steht fest: Afrika mit all seinen Besonderheiten haben wir nun endgültig erreicht. Äthiopien ist kein Land für Afrika-Anfänger und hat uns mit seinen (unfassbar vielen) Menschen, deren tiefen Religiosität, seinen atemberaubenden Bergwelten, seiner lebensfeindlichen und doch faszinierenden Danakil in seinen Bann gezogen.

12 Äthiopien Teil 1/2 - 14. Januar bis 31.Januar 2017
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